Angekommen

Die Klimaanlage schnurrt leise vor sich hin, es ist angenehm kühl. Wir liegen in einem bequemen Bett und schauen an die hohe Decke des wunderschönen alten Hauses. Es ist ein gutes Gefühl. Wir sind zufrieden. Wir sind in Singapur angekommen.

Gestern Abend haben wir unsere Ankunft gefeiert, zum Schluss landeten wir noch in der Bar ‚Ice Cold Beer‘ in der Emerald-Hill-Road, kurz vor Udos Haus. Vielleicht haben wir einiges zu viel getrunken, aber auf diesen Moment haben wir seit mehr als anderthalb Jahren gewartet.

Yus, die Freundin von Udo sagt später, sie habe ihn noch nie tanzen sehen. Er freut sich sehr, dass wir hier sind.

Ja, wir sind hier, aber es fehlt noch das Beast, das noch immer in Johor Bahru auf der malayischen Seite steht und so machen wir uns an die Aufgabe heran, unser treues Reisegefährt herüber zu holen.

Wir fahren mit dem Bus zur AAS (Automobil Association Singapore) und tragen dort vor, dass wir mit dem Auto herüberfahren wollen. OK, wir sollen ihnen das Carnet geben, aber das liegt im Auto und ist eigentlich für den Zoll bestimmt und nicht für den Automobilclub. Wir zeigen den Mitarbeitern elektronische Dokumente auf unserem iPad. Ja, das sei ok, aber sie müssten das Original Carnet vorher auf der Rückseite stempeln, damit der Zoll sieht, dass wir alle notwendigen Dokumente und eine Kfz-Versicherung hätten. So etwas haben wir bisher noch nie erlebt, dem Zoll können wir ja auch die Versicherungspolice zeigen, enttäuscht ziehen wir von dannen und fahren mit dem Bus und S-Bahn nach Johor Bahru, holen das Carnet und fahren zurück nach Singapur. Für heute ist es zu spät, um nochmal zum AAS zu fahren, die Einreise nach Malaysia hatte ewig gedauert. Wir treffen Udo im ‚Ice Cold Beer‘, um auf den Feierabend anzustoßen.

Neuer Tag, neues Glück und um 09.00 Uhr sind wir wieder beim AAS. Die Mitarbeiter kennen uns bereits und wir werden zuerst zu dem Herrn, der die Versicherungen ausstellt weitergeleitet. Er fragt uns, wie lange wir in Singapur bleiben möchten und als wir ihm 90 Tage mitteilen, meint er, dass dies nicht möglich sei. Wir händigen ihm unseren Reisepass aus und zeigen ihm den Stempel der Einreisebehörde. Der Mann ist sehr überrascht und weiß gar nicht was er tun soll, das Gros der Selbstfahrer kommt wohl nur für einige Tage, um entweder das Auto zu verschiffen oder es vom Hafen abzuholen. Er sagt uns, dass er uns maximal eine Versicherung für 3 Wochen geben kann, alles andere müsste er zuerst mit der Versicherungsgesellschaft abklären.

Für drei Wochen Haftpflichtversicherung möchte er fast 300 Singapur Dollar haben, ich sage ihm, dass das aber sehr viel sei, im Vergleich zu anderen Ländern. Ja, das wisse er, aber das sei halt Singapur und nicht der Rest von Asien, ich sage ihm, dass es auch im Vergleich zu Deutschland sehr viel sei und Deutschland eventuell schon mit Singapur vergleichbar sei. Ich sage ihm, er soll doch mal die Gesellschaft anrufen und nach einem Rabatt fragen. Das macht er natürlich nicht.

Wir kaufen die 3 Wochen Versicherung und wechseln den Schalter. Nun prüft Rosie nochmals alle Dokumente, nachdem der Herr schon Führerschein, internationalen Führerschein und Fahrzeugpapiere geprüft und kopiert hatte. Nachdem alles in Ordnung zu sein scheint, stempelt sie den unteren Abschnitt des Carnets und sie fragt uns, wann wir wieder ausreisen würden. Da wir das nicht wissen, kann sie den zweiten Abschnitt noch nicht stempeln und wir müssen nocheinmal (!) zum AAS kommen, wenn wir das Ausreisedatum hätten. Wir fragen, warum sie eigentlich kein Büro am Grenzübergang hätten, das wäre doch Service für die Autofahrer und sie seien schließlich der Verband für die Autofahrer. Um unsere Stimmung etwas aufzuhellen, schenkt uns der Herr von der Versicherungsabteilung ein kleines Zahlenschloss mit dem man seine Koffer sichern kann.

Nachdem das Carnet gestempelt ist, muss es noch vom Präsidenten unterzeichnet werden, eine junge Mitarbeiterin wird losgeschickt und nach einer Viertelstunde kommt sie zurück. Wir verlassen nach etwa 90 Minuten das Büro des AAS und fahren wieder mit dem Bus zurück nach Malaysia.

C&C Mercedes Benz hat in der Zwischenzeit unsere Stoßdämpfer gewechselt und alle möchten noch gerne ein Gruppenfoto machen. Der Geschäftsführer kommt auch und wünscht uns noch eine gute Fahrt. Der Mitarbeiter, der die Arbeit gemacht hat, freut sich noch immer wie ein Schneekönig.

Kurz nach 15 Uhr fahren wir bei C&C los, die Zollabwicklung geht zügig von statten, trotz des regen Verkehrs. Auf malayischer Seite müssen wir nochmal Maut bezahlen und auf der Seite Singapurs müssen wir den Autopass kaufen, mit dem wir die Straßenmaut und evtl. die VEP (Vehicle Entry Permit) bezahlen müssen. Das ganze kostet 10 S$ dauert aber Ewigkeiten, da wir 3 Wochen bleiben wollen und nicht nur 5 Tage, diesen Sonderfall hatte der Mitarbeiter noch nie und ist völlig überfordert, nach über 1 Stunde gibt er uns den Autopass und sagt uns, dass wir zum Headoffice gehen müssten. Ja, das machen wir dann mal, irgendwann.

Am Abend fahren wir in die Emerald-Hill-Road ein und parken vor dem Haus. Ein schönes Bild, denn Udos Nachbar, Andrew parkt daneben seinen gelben Ferrari. Er ist Anfang 30 und in der Immoblienbranche tätig, allerdings entspricht sein Äußeres gar nicht so unserem Bild eines Immoblienmaklers. Er trägt eine gelb getönte Sonnenbrille, einen Cowboyhut und sein gut trainierter Körper ist von oben bis unten tätowiert, auch scheint er etwas vom anderen Ufer zu sein, „your car is very masculin“, sagt er anerkennend.

Auch der andere Nachbar kommt am nächsten Morgen und fragt uns, was wir mit dem Auto vorhaben. Als er unsere Geschichte hört, erzählt er uns, dass seine Mutter schon einmal von Singapur nach London gefahren sei, in 66 Tagen. Respekt, leider lernen wir seine Mutter nicht kennen.

Gaby und Michael wohnen etwas weiter oben in der Straße und laden uns für einen Abend auf ein Glas Wein ein. Die beiden führen ein sehr internationales Leben, Michael ist in Diensten von Procter & Gamble und zurzeit für deren Marke Gillette in Singapur.

Während Udo arbeitet, sehen wir uns die Stadt an. Die prachtvolle Einkaufsmeile Orchard Road liegt vor unserer Haustüre, wir besuchen die Marina Bay, mit dem neuen, imposanten Hotel Marina Bay Sands und das Casino. Für Ausländer kostet es keinen Eintritt und im Casino ist ein Restaurant, das für Singapurer Verhältnisse sehr preiswert ist. Die Skyline ist, von der Marina Bay aus besonders beeindruckend, wir besuchen das Wahrzeichen Singapurs, den Merlion, die neueröffnete National Gallery und am Wochenende besuchen wir abends die höchste Rooftop Bar Singapurs auf dem Dach des One Raffles Place. Wir haben uns in Schale geworfen, was man halt als Overlander so dabei hat. Wir müssen anstehen, bis wir reingelassen werden, ein prüfender Blick am Eingang, aber alles ok. Seit wir den Himalaya Indiens hinter uns gelassen haben, trugen wir nur noch Flip Flops und kurze Hosen. Ein ungewohntes Gefühl bei 30°C und hoher Luftfeuchtigkeit geschlossene Schuhe und lange Hosen zu tragen.

Vom Dach haben wir einen wunderbaren 360° Rundblick auf Singapur by night. Allerdings geht ein scharfer Wind und die Drinks schmecken uns nicht so gut, dass wir lange Zeit oben bleiben. Wir lassen den Abend in der ‚Wine connection‘ bei einem guten Rioja und einer Käseplatte ausklingen.

Am Stadtstrand auf Sentosa lassen wir es uns gut gehen und obwohl wir schon ziemlich braungebrannt sind, bekommen wir dort doch noch einen Sonnenbrand. Auf Sentosa gibt es ein vielfältiges Unterhaltungsprogramm und viele Resorts, 1972 erhielt die Insel den Namen Sentosa, was so viel wie Ruhe oder Stille bedeutet. Bis dahin hieß sie „Pulau Blakang Mati“ was so viel bedeutete wie ‚hinter den Toten‘.  Woher der alte Name kam, weiß niemand mehr so genau und es ranken sich viele Legenden um den Namen. Eine Erklärung war, dass viele malayische Krieger auf der Insel begraben wurden, eine andere besagt, dass es früher ein Schlupfwinkel von Piraten war und es dort oft sehr blutig zuging.

Wir merken von alledem nichts mehr, der Blick aufs Meer verrät nur, dass der Hafen von Singapur sehr vielbeschäftigt ist, denn eine Vielzahl von  Schiffen wartet vor der Insel auf die Einfahrt in den Hafen. Singapurs Hafen ist der zweitgrößte Containerhafen weltweit, gemessen an der Anzahl der umgeschlagenen Container. Im Vergleich zu Hamburg, dem größten deutschen Containerhafen werden hier 3,5-mal so viele Container im Jahr umgeschlagen.

Aber außer Beton, Einkaufsmeilen und Hafenanlagen gibt es auch noch eine naturbelassene Insel auf Singapur, Pulau Ubin. Sie ist ein Wochenendausflugsziel für viele Singapurer und für Touristen, hier kann man sich Fahrräder leihen, Mountainbike fahren, zelten und wandern.

Als wir von Ubin zurück in die Stadt fahren, kommen wir mit dem Bus am Gefängnis Changi vorbei, das Teil ist riesig und Udo erklärt uns, dass dort noch Prügel- und Todesstrafe vollstreckt wird. In China Town werden Touristen T-Shirts verkauft mit dem Aufdruck ‚Singapur – a fine city‘, wobei hier ‚fine‘ auf die Übersetzung Geldstrafe bezogen ist und nicht auf das Adjektiv ausgezeichnet.

Seit Bangkok haben wir uns mit dem Gedanken angefreundet, dass wir das Beast nach Südafrika verschiffen und dann an der Ostküste Afrikas zurück nach Hause fahren wollen. Und jetzt ist es an der Zeit die Verschiffung durchzuführen. Wir hatten verschiedene Angebot und haben uns letztendlich für das, der Baseler Spedition MR Spedag entschieden, einerseits, weil wir Marc Hassler persönlich kennen, der für das Afrika Geschäft zuständig ist und sie eigene Niederlassungen sowohl in Singapur, als auch in Durban in Südafrika haben. Am Gründonnerstag fahren wir zum Containerdepot und packen das Auto in einen 20‘ Standardcontainer, dafür müssen wir aber die Dachbox, das Reserverad und das Dachzelt herunternehmen und separat im Container verstauen. Die Mitarbeiter vor Ort sind Experten, was die Autoverladung angeht. Einer erklärt mir, dass Sie die Fahrzeuge  von den F1-Teams Red Bull und Ferrrari für die Formel 1 Rennen ins Singapur verladen und zeigt uns Bilder. Nach nur zwei Stunden ist alles verladen und verzurrt, wir werden noch zum Frühstück eingeladen und gegen Mittag sind wir zurück bei Udo.

Über Ostern machen wir einen Kurztrip nach Vietnam, wir haben Flüge nach Saigon gebucht und am Karsamstagmorgen fliegen wir in die ehemalige Hauptstadt von Südvietnam, die heute Ho-Chi-Mingh-Stadt heißt.

Vier Tage bleiben wir in Vietnam und besuchen dort das War Museum und die Tunnels von Cu Chi. Es ist beeindruckend mit welchem Willen und welcher Opferbereitschaft die Vietnamesen gegen die USA gekämpft haben. Allerdings wird alles auch sehr propagandistisch dargestellt. Die Tunnels sind für uns sehr eng und man kann schnell Platzangst kriegen, jedoch wurden diese für die Touristen extra verbreitert und erhöht.

Ein weiteres Mal sind wir zutiefst betroffen über die Kriege in dieser Region und ihre Auswirkungen, die bis heute andauern,  Die unglaubliche Menge von über 70.000.000 Litern giftigen Chemikalien wurden über dem Süden Vietnams durch die USA versprüht. Am 30. April 1975 fiel Saigon, kurz zuvor hatten die letzten Amerikaner die Stadt per Helikopter verlassen. Besonders nachdenklich macht uns, dass aus der Geschichte nichts gelernt wird und wir denken an die Länder, in denen heute Krieg, Zerstörung, Tod und Elend herrscht.

Die vier Tage vergehen wie im Fluge, wir lassen es uns gut gehen, genießen noch einmal die asiatische Küche in vollen Zügen und Udo, der die Stadt sehr gut kennt, führt uns zu den schönsten Plätzen.

Zurück in Singapur packen wir unsere Sachen zusammen und fliegen zwei Tage später nach Capetown in Südafrika, wo wir nach 14 Stunden Flug ankommen, um das „Projekt Heimreise“ in Angriff zu nehmen. …

… mybeastgoesEastafrica

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