Oase

47 Tage unterm Tschador

„Eine deutsche Touristin wurde über 6 Wochen gezwungen den traditionellen iranischen Tschador zu tragen“, so ähnlich könnte eine Schlagzeile in deutschen Medien zum Bild von Annette lauten. Und so schlecht die Meldungen der letzten Jahre über den Iran waren, so hat sich unser Bild in Europa über den Iran festgesetzt. Böse, unberechenbar, schlecht.

Als wir unseren Familien unsere Reisepläne vorgestellt und auch gesagt hatten, dass wir den Iran bereisen wollen, war der allgemeine Tenor „seid ihr wahnsinnig, die bringen euch um, …“.

Wir waren 47 Tage im Iran und sind von der Natur, den Landschaften und den Menschen sehr beeindruckt. Sicher ist nicht alles gut und wir haben auch Menschen getroffen, die sehr unter dem politischen System oder den Traditionen leiden, aber die Menschen haben, gerade gegenüber uns Deutschen, eine noch nie erlebte Gastfreundschaft an den Tag gelegt.

Am 15.04. reisen wir in den Schurkenstaat ein und unsere Gefühle sind gemischt. Die erste Station ist im Norden Tabriz, eine der größten Städte des Landes. Wir suchen den Elgolipark auf, denn hier soll man auch gut campieren können. Bereits an der Parkzufahrt spricht uns ein junger Iraner an, er zeigt uns den Weg und bezahlt für uns den Parkeintritt. Wir bleiben dort für zwei Tage und treffen unzählige freundliche Menschen, z. B. Maryam und ihr Freund Alireza. Zuerst trinken wir mit Ihnen einen Kaffee und essen Schokolade, am Abend kommt Maryam nochmal alleine und bringt uns Suppe zum Abendessen mit und am nächsten Morgen bringt sie Käse, Honig, Brot und einen lokalen Brotaufstrich zum Frühstück mit. Später führt uns Maryam durch ihre Heimatstadt und wir gehen zusammen Mittag essen. In der Stadt treffen wir Nasser Khan von der Tourist Info, er kann perfekt Deutsch und er erzählt uns, dass es in Shiraz ein Reisebüro gibt, wo man Fährtickets nach Dubai und von Dubai nach Mumbai/Indien buchen kann. Er gibt uns die Kontaktdaten und bei seinem Bruder schließen wir noch eine KFZ-Haftpflichtversicherung für 2 Monate ab.

Im Elgolipark treffen wir auch Renault und Maryline mit ihren 3 Kindern aus Frankreich. Sie sind zu fünft im Camper unterwegs und der älteste Sohn ist bereits schulpflichtig, aber sie haben die Genehmigung selbst zu unterrichten und fahren um die Welt. Sie wollen im September zusammen mit Isabela und Rafael und mit Jessica und Allain China durchqueren. Für uns ist das zu spät und wir wollen über Indien reisen. Die Dubai Fähre ist für uns interessant, denn dann müssen wir nicht durch Belutschistan und den Süden Pakistans.

Am Abend kommt erneut Maryam zu Besuch und sie erzählt uns beim gemeinsamen Abendessen ihre Geschichte. Sie studierte Sport und hatte eine Doktorandenstelle, als sie sich in Alireza verliebt hatte, sie wollten heiraten und deswegen hatten sich dann die beiden Familien getroffen, aber unglücklicherweise hat die Familie ihres Freundes der Heirat nicht zugestimmt und nun ist ihre Familie auf die andere Familie böse und sie kann sich nicht mehr öffentlich mit ihm treffen. Im Moment sieht sie keine Lösung für ihre Situation. Sie hat ihre Forschungsstelle für eine Lehrerstelle aufgegeben, weil sie dachte, dass sie heiraten wird.

Im Park treffen wir auch noch Morteza, einen jungen Mann im Trainingsanzug. Er spricht uns auf Deutsch an und scheint gut drauf zu sein. Wir gehen mit ihm spazieren und trinken einen Tee zusammen. Auch er war sehr unglücklich verliebt, er erzählt uns von seiner Traumfrau, sie liebten sich und für ihn war die Welt in Ordnung. Er war asiatischer Meister in Karate, Sportler durch und durch, bis seine Freundin einen anderen heiraten musste, den ihre Familie für sie ausgesucht hatte. Für ihn ist die Welt zusammengebrochen, er hörte auf Sport zu treiben und fing dafür an zu rauchen. 2 Jahre hat diese Phase gedauert und eine deutsche Frau, die er auch im Park kennenlernte, half ihm die Krise zu bewältigen. Nun ist er wieder gut drauf, er treibt wieder Sport und hat ehrgeizige sportliche Pläne.

Hier merken wir zum ersten Mal die Unterschiede zu unserem Leben in Europa. Die Familien spielen hier eine sehr große und wichtige Rolle und die Traditionen werden noch streng bewahrt.

Von Tabriz aus machen wir einen Abstecher nach Kandovan, einer Stadt im Fels, ähnlich dem türkischen Kappadokien, mit dem Unterschied, dass Kandovan noch immer bewohnt wird und zum Lake Orumiyeh, einem Salzsee, der das größten Binnengewässer des Iran, aber zur Zeit ziemlich ausgetrocknet ist. Dort soll man Flamingos beobachten können, was uns aber verwehrt bleibt. Wir verbringen dort eine Nacht und fahren dann zum Kaspischen Meer, über Ardebil nach Astara und Bandar Anzali, wo wir eine Nacht am Strand schlafen. Unterwegs treffen wir Andrew und Suzi mit ihren beiden Kindern. Sie sind Australier und zu viert im Landrover nach Europa unterwegs, also fast unsere Route, nur umgekehrt. Sie sind von Indien aus durch Pakistan gefahren, insgesamt 6 Tage mit Militärbegleitung (2 Tage davon noch im Iran). Das war zwar nicht sehr angenehm, aber sie hatten nie ein ungutes Gefühl, sie hatten auch keine Bomben, o. ä. gesehen, wie zwei andere Bekannte, die hätten leider zwei Bombenexplosionen erlebt. In Indien hätten sie sich unwohler gefühlt, erzählt uns Suzi. Auch durch Burma mussten Sie mit Begleitung fahren, aber auch dies haben sie locker genommen, Andrew ist ein ruhiger, cooler Typ, den so schnell nichts aus der Fassung zu bringen scheint.

Hier an der Küste des Kaspischen Meeres ist es grün und schwül, es ist der am dichtesten besiedelte Teil des Iran und hier wird sogar Reis angebaut. Unser Weg führt in Richtung Rasht und kurz vor der Stadt sehen wir einen Laden der Autoschilder herstellt. Wir möchten gerne ein altes Nummernschild, als Souvenir mit nach Hause nehmen und so halten wir an und ich gehe in die Werkstatt. Leider sprechen alle nur persisch und als ich mit Händen und Füssen erkläre, dass ich ein Nummernschild möchte, ernte ich nur Kopfschütteln. Ein LKW-Fahrer beobachtet die ganze Szene und als ich zurück am Auto bin, hält er mir sein Handy ans Ohr. Eine Frau spricht Englisch und fragt mich, was ich möchte. Ich erkläre ihr, dass ich ein Nummernschild als Souvenir haben möchte. Oh, das sei nicht möglich, dass ich ein Nummernschild bekomme, aber ihr Schwager Hossein würde mit mir nach Rasht fahren und dort könne ich Souvenirs kaufen. Ich erkläre ihr, dass ich Nummernschilder aus der ganzen Welt sammle und ich auch gerne eines aus dem Iran hätte. Ein altes, kein aktuelles für mein Auto. Ok, das versteht sie und sie erklärt es ihrem Schwager, dann gehen wir nochmal zusammen in Werkstatt und nach kurzer interner Beratung kommt der Ältere mit drei alten Nummernschildern zurück, die er mir alle schenkt. Ich bedanke mich tausendmal in der Werkstatt und beim LKW Fahrer. Wir verstauen die Nummern und wollen gerade losfahren, als Hossein nochmals klopft und fragt, ob wir duschen möchten. Wir lehnen ab, aber so leicht gibt er nicht auf und so fahren wir mit ihm zu seiner Wohnung, wo seine Frau mit dem kleinen Sohn und einer Verwandten bereits auf uns warten.

Wir duschen uns und danach gibt es Mittagessen. Es ist alles sehr lecker und Soraya, Hosseins Frau hat sehr viele Dinge selbst gemacht, zum Beispiel den eingelegten Knoblauch, ganze Knollen werden 7 Jahre in Essig eingelegt. Später kommt dann auch Maryam, die Telefondolmetscherin dazu und wir trinken Cay und essen Süßigkeiten und Nüsse. Für den Abend lädt uns Maryam zu sich nach Hause ein, sie wohnt bei ihrer Mutter auf dem Land und zum Abendessen kommt die ganze Familie.

Annette schenkt Badir, dem kleinen Sohn und Sahar, der 19-jährigen Tochter von Soraya eine BeastEast Mütze. Dafür bekommt dann Annette wiederum eine selbstgemachte Geldbörse von Maryam geschenkt. Sie ist Schneiderin und macht auch Lederarbeiten, Taschen, Geldbeutel, etc. Alles sehr schöne Dinge von sehr guter Qualität und sehr präzise gearbeitet. Die Nacht verbringen wir im Haus von Maryams Mutter und am Morgen verabschieden wir uns ganz herzlich in Richtung Masuleh, einer terrassenförmig angelegter kleinen Stadt bei der jeweils das Flachdach eines Hauses, der Hof des darüber liegenden Hauses bildet.

Über Qazvin fahren wir in Richtung Esfahan, der ehemaligen Hauptstadt Persiens. Zum ersten Mal benutzen wir auch die Autobahn, die, wie auf der ganzen Welt, mautpflichtig ist. Aber an den Mautstationen empfängt man uns mit einem freundlichen „Welcome to Iran“ und winkt uns durch. Ein anderer fragt uns, wo wir her sind und als er Germany hört, sagt er „Karlheinz Rummenigge, Klaus Fischer“ und winkt uns freundlich lachend ebenso durch. Wir sind erstaunt und freuen uns.

Auch werden wir immer wieder von Leuten angesprochen, dass wir dieselbe Rasse sind, Arier, dieselbe Brut und wir Brüder seien. Die Iraner mögen uns Deutsche sehr. Dass auch wir uns an den Sanktionen gegen den Iran beteiligen, dafür haben sie Verständnis. Wildfremde Menschen geben mir einen Bruderkuss, z. B. Hossein, ein Fischer am Kaspischen Meer fragt uns wo wir her sind und als ich sage „Germany“ umarmt er mich und gibt mir rechts und links einen Kuss, später schenkt er uns sechs kleine Fische zum Abendessen. An einer Tankstelle bekommen wir zwar nur 40 Liter Diesel, diese müssen wir dafür aber nicht bezahlen. Auf den Straßen winken uns die Leute freundlich zu, fragen während der Fahrt woher wir kommen und rufen immer wieder „Welcome to Iran“, selten haben wir uns so willkommen gefühlt. Bei Mashhad überholt uns immer wieder ein Auto und alle Insassen winken uns zu, dann deuten sie uns an, rechts ran zu fahren, eine Frau steigt aus, begrüßt uns und schenkt uns Brot und Doogh (Trinkyoghurt, wie Ayran in der Türkei).

Der Weg nach Esfahan ist lang und wir schaffen die Strecke nicht in einem Tag, gegen halb sieben verlassen wir die Hauptstraße und fahren eine staubige Piste einen Hügel hinauf. Oben parken wir und steigen aus, um uns einen Überblick zu verschaffen, dazu steigen wir zu Fuß noch ein wenig höher. Von der anderen Seite kommt ein Auto, es hält und ein junger Mann kommt zu uns hoch. „Welcome to my country“. Es ist Mohsen, der eine Farm in dem grünen Tal hat und er lädt uns zu sich ein. Auf der Farm ist noch sein Cousin Abbas und später kommt noch ein afghanischer Hirte namens Abdullah. Wir trinken Cay und essen. Dann wird die Wasserpfeife angemacht und obwohl nur Mohsen ein wenig Englisch kann unterhalten wir uns gut. Abdullah kommt mit den Ziegen auf den Hof, er wirkt mürrisch. Aber er kümmert sich um uns und schenkt uns immer wieder Tee ein, vor dem Haus ist ein Brunnen und als die Sonne untergeht, fühlt sich der Ort wie eine Oase an. Wir liegen auf Teppichen und lauschen in die Nacht. Es kommt noch ein Freund vorbei, der mit Abdullah fischen geht, es ist 10 Uhr Abends und als sie mit ihrem Fang zurückkehren ist es bereits nach Mitternacht, als sie den Grill für das Abendessen anzünden. Wir gehen allerdings ins Bett. Am Morgen ist Abdullah schon wieder mit den Ziegen auf der Weide. Seine Frau und die Tochter leben noch in Herat und er schickt Geld nach Hause. Aufgrund der Kriegswirren ist er in den Iran gegangen, um hier zu arbeiten. Am Abend spielte er noch eine Art Gitarre und sang. Auf seinem Handy hat er uns Bilder gezeigt, wie er mit seinem Hund einen Wolf erlegt hat. Dieser kleine Mann hat einen großen Eindruck auf uns gemacht und die Gastfreundschaft von Abbas und Mohsen war unbeschreiblich.

Am Morgen fahren wir nach Esfahan, hier besichtigen wir die Brücke Pol-e Khaju und den Meydan-e Imam Platz, mit seinen Moscheen. Der Platz ist der zweitgrößte der Welt und in früheren Zeiten wurde hier sogar Polo gespielt. Die Brücke verrät erst nach einiger Zeit ihre wunderschönen Geheimnisse und es ist erstaunlich welche Gedanken sich die Erbauer gemacht haben. Z. B. stehen an jedem Flussufer genau gegenüber zwei steinerne Löwen und bei Dunkelheit kann man, wenn man von einem Löwen zum anderen schaut, die Augen leuchten sehen. Es ist erstaunlich, denn wenn man die Löwen genau anschaut ist da nicht der kleinste Anhaltspunkt, was da leuchten könnte und es leuchten nur die Augen.

Esfahan liegt am Rande der Wüste Daht-e Kavir und wir haben bisher noch nie eine Wüste aus der Nähe gesehen, daher liegen unsere nächsten Ziele in dieser Wüste. Die Fahrt geht über Nain, wo wir nochmals unsere Wasser- und Dieseltanks voll füllen, nach Garmeh und Farazad. In der Luft liegt ein Dunst und Staub, man kann kaum 200 m weit sehen und es bläst ein starker Wind. Es ist Ende April und die Temperaturen liegen so um die 30-35°C. In Garmeh finden wir einen wunderschönen Platz an einem Felsen, wo es eine kleine Quelle gibt. Wir bleiben 3 Tage und nutzen die Zeit um das Auto und die Ausrüstung zu reinigen, wir waschen Wäsche und gehen immer wieder zu dieser Quelle, wo kleine Fische drin sind. Wie wir herausfinden sind das Putzerfische und wenn wir die Füße ins Wasser halten, fressen sie die Nagel- und Hornhaut weg.

Ab und zu kommen Leute aus dem Dorf oder andere Reisende und so treffen wir dort den ehemaligen Premierminister Litauens und den Leadsänger einer Unabhänigkeitsband. Ein Guide, der mit einer französischen Gruppe an die Quelle kommt gibt uns den Tipp nach Mesr oder Farazad zu fahren, Mesr bedeutet soviel wie Ägypten und die Wüste dort sei Sandwüste mit Dünen. Die Wüste bei Garmeh ist steinig. Er zeigt uns auf der Landkarte auch noch einen Ort in der Wüste Lut, den wir möglichst besuchen sollten.

Von Garmeh nach Mesr sind es nur ca. 1 Stunde Autofahrt und am Mittag treffen wir dort ein. Es ist alles zu und der Ort wirkt wie ausgestorben, wir fahren weiter bis Farazad, wo die Strasse aufhört und nur noch Wüste ist. Wir treffen dort im Guesthouse „Barandaz Desert Lodge“ Hossein und fragen ihn nach Möglichkeiten Kamele zu reiten und nach einem Platz, wo wir übernachten können. Für Camelriding müssen wir zurück nach Mesr und auf dem Weg dorthin verlassen wir die Strasse, Annette hat ein Schild entdeckt, das wir aus der Nähe ansehen möchten, als wir dort ankommen erkennen wir einen Totenkopf und beschließen lieber umzudrehen. Aber, wir stecken bereits im Sand fest. Wir holen unsere Schaufeln aus der Dachbox und schaufeln das Auto frei, wir fahren ein Stück rückwärts bleiben aber bei einem Gebüsch an einer versteckten Wurzel wieder stecken. Wir schaufeln und schaufeln, bei fast 40° und überall Sand ist das eine üble Schinderei. Wir versuchen loszufahren, aber es geht nicht, die Räder graben sich in den Sand und wir sitzen schon auf. Ich steige auf das Dach und hole die Sandbleche herunter, wieder freischaufeln und Sandbleche drunter. Mittlerweile kommt ein junger Mann auf dem Motorrad aus Farazad und hilft uns. Wie es scheint hat er große Erfahrung bei der Autobergung, er holt aus den umliegenden Büschen Zweige und Stöcke und unterlegt die Vorderräder damit, unter den Hinterrädern haben wir die Sandbleche. Im Kriechtempo starten wir den nächsten Versuch und kommen ein Stück vorwärts, wir unterlegen ständig mit Büschen und Blechen die Räder, bis wir nach zwei Stunden endlich wieder auf der Straße sind. Camelriding hat sich für heute erledigt, wir fahren nach Farazad und suchen den Stellplatz auf, aber mittlerweile hat es angefangen stark zu winden und es ist unmöglich bei diesem Wind sich draußen aufzuhalten, man hat ständig Sand in den Augen und daher gehen wir zu Hossein in die Lodge und fragen nach einem Zimmer.

In diesem traditionellen Haus schlafen wir am Boden, zum Abendessen gibt es Kartoffeln und Kamelfleisch, aber wir fühlen uns sehr wohl hier und schlafen, trotz des harten Untergrunds, gut, was eventuell auch an der nachmittäglichen Schaufelei lag.

Die Kamele haben in der heutigen Zeit leider keine Aufgaben mehr wie früher, einige wenige Kamele werden als Reittiere (für Touristen) verwendet und die anderen dienen nur noch als Fleischlieferanten. Die Wege durch die Wüsten sind asphaltiert und die Transportaufgaben lösen nun Pick-Ups oder Trucks.

Wir verlassen nun wieder die Kavirwüste und wollen in die Wüste Lut, hier wurde per Satellit vor einigen Jahren der heißeste Punkt der Erde ermittelt. Zuvor passieren wir noch die Stadt Yazd und als wir in die Stadt einrollen, entdecken wir am Straßenrand den Camper von Renault und davor den Landrover von Rafael. Wir halten an und treffen die beiden mit ihren Familien, gemeinsam fahren wir zum Silkroad Hotel in die Altstadt von Yazd, wo wir auf dem Parkplatz kostenlos übernachten können, die Duschen und WC dürfen wir im Hotel mitbenutzen.

In Yazd versuchen wir unser Iranvisum zu verlängern und fahren mit dem Taxi zum Visaoffice, aber man wimmelt uns ab und erklärt uns, dass das noch zu früh sei. Am Abend besuchen wir noch einen alten Wasserspeicher, in dem nun Zurkhane praktiziert wird. Das ist eine traditionelle Kraftsportart und die Sportler stemmen schwere Holzkeulen oder große Eisenteile mit schweren Ketten dran, dazwischen wird immer wieder getanzt und sich bewegt, einiges erinnert uns an Yoga und Zumba, ab und zu rotieren alle um die eigene Achse, wie die tanzenden Derwische in Konya.

Auf unserer Karte ist eine kleine Straße nach Shadad eingezeichnet und wir müssen nicht über Kerman fahren um in die Lut zu kommen. Das scheint auch alles gut zu funktionieren, bis ca. 80 km vor Shadad. Die Straße ist mittlerweile nur noch Piste und vor einem Dorf hält ein Fahrzeug an und 4 junge Männer erklären uns, dass es unmöglich sei von hier aus nach Shadad zu fahren. Wir würden den Weg nicht finden, der führt durch Flüsse, etc. Wir wollen es aber doch versuchen und fahren mit Navi und Karte weiter in Richtung Shadad. Der Weg wird immer abenteuerlicher und die Einheimischen schauen immer verduzter, als wir an ihnen vorbeifahren. Aber die Landschaft ist einmalig, wir fahren in einem Flussbett Richtung Osten, passieren noch einen Ziegenhirten mit seiner Herde und stehen urplötzlich in einem kleinen Dorf mit einer grünen Moschee, wie eine Oase der Ruhe wirkt dieser Ort. Ich parke das Auto, nehme die Karte mit und frage einen Mann nach dem Weg nach Shadad. Er redet auf Persisch auf mich ein, aber ich verstehe, dass wir zurück müssen, hier gibt es keinen Weg mehr. So fahren wir halt wieder zurück und über Kerman nach Shadad in die Wüste Lut, wo wir gegen Mitternacht ankommen und einfach das Auto an einem Felsen in der Wüste abstellen, Zelt aufklappen und uns schlafen legen.

Am nächsten Morgen sehen wir die Kaluts, bizarre Felsformationen in der Wüste Lut, die Wind, Sand und Erosion im Laufe von Jahrhunderten geformt haben.

Sobald die Sonne aufgeht wird es unsagbar heiß, wir wollen heute Abend hier noch einen Sonnenuntergang miterleben, aber den ganzen Tag in der Hitze, das ist nicht auszuhalten, wir fahren in eine kleine Oase, ca. 20 km östlich und liegen den ganzen Tag unter den Palmen an einem kleinen Kanal. Am Abend suchen wir uns einen schönen Felsen und beobachten den Sonnenuntergang. Gegen 23 Uhr haben wir immer noch 40 °C, schlafen ist nicht möglich.

Langsam wird es Zeit, sich um unsere weitere Route zu kümmern und gerne würden wir mit einem Schiff nach Indien fahren. Auch einen Abstecher in die Emirate würden wir gerne machen, wobei sich dieser Wunsch nach den Temperaturen hier und unseren Sand- und Wüstenerlebnissen etwas relativiert hat. In Shiraz suchen wir die Agentur auf, die uns Herr Khan in Tabriz empfohlen hat, auf und fragen nach Fährverbindungen. Die Fähre nach Dubai ist kein Problem und sie glaubt auch, dass ein Schiff von Dubai nach Indien geht, sie gibt uns aber die Telefonnummer des Büros in Dubai, dort erhalten wir allerdings die klare Aussage, dass im Moment keine Schiffe fahren. Aufgrund dessen verzichten wir auch auf den Abstecher in die V. A. E. Aber an den persischen Golf wollen wir dennoch und suchen uns als Ziel Bandar Bushehr aus, das ist nicht so weit zu fahren. Wir bleiben dort aber auch nur für eine Nacht, denn es ist nicht nur sehr heiß, sondern dazu noch extrem feucht und auch dort ist in der Nacht an Schlaf nicht zu denken.

Uns beschäftigt nun das Problem, wohin wir weiter reisen. Wir diskutieren alle Möglichkeiten und entscheiden uns dafür, die folgenden zwei Möglichkeiten weiter zu verfolgen:

  1. auf dem Landweg über Pakistan nach Indien
  2. über Turkmenistan, Uzbekistan, Kirgistan, China nach Südostasien

Ohne Internet ist es aber gar nicht so einfach Informationen hierzu zu beschaffen und klar ist auch, dass wir jetzt nach Tehran müssen.

Unterwegs dahin treffen wir abends in einem Park auf die Tafakoris, 3 Familien aus Esfahan, und nach einigen Gesprächen, Cay und Süssigkeiten fahren wir mit Payam und seiner Frau Yalda mit nach Esfahan und schlafen bei Ihnen. Wir bekommen noch eine Stadtführung bei Nacht und am Morgen erzählen sie uns, dass sie schon in Deutschland und in der Schweiz waren. Payam ist für eine Kunststofffirma tätig und hat eine Firma, die mit Gasmotoren Strom erzeugt und an die Regierung verkauft. Allerdings sei sein letzter Visaantrag von den deutschen Behörden abgelehnt worden.

Am Nachmittag erreichen wir Tehran und parken im Park des Holy Shrine Imam Khomeni. Hier erwartet uns nun ein Behördenmarathon. Wir gehen zuerst zur pakistanischen Botschaft, denn diese Route ist am schnellsten und mit dem wenigsten Behördenkram verbunden. Jedoch sagt man uns ganz schnell, dass in Tehran keine Touristenvisa für Europäer ausgestellt werden. Das müssten wir in unserem Heimatland tun. Zumindest bekommen wir jedoch das Iranvisum bei der Visapolizei verlängert und wir können nun bis zum 16. Juni im Iran bleiben.

Nun bleibt also nur noch die Route über die Stan-Länder und China. Aber für China ist ein Guide und allerlei Besonderheiten vorgeschrieben und für die Einholung aller Genehmigungen benötigen die Agenturen 3 Monate Vorlaufzeit. Wir müssen uns also sputen.

Wir beantragen Visa für Turkmenistan, Uzbekistan und China. Von China aus wollen wir nach Laos, jedoch nehmen wir davon Abstand, als wir die Kosten hierfür hören, um die 11.000 Euro soll eine dreiwöchige Tour kosten ohne Hotel für uns und ohne Kraftstoffkosten.

Also entscheiden wir uns für eine 5 Tagestour von Kirgistan über China nach Nordpakistan und das Visum für Pakistan beantragen wir mit unseren 2. Reisepässen in Deutschland.

Nach über einer Woche von Botschaft zu Botschaft und Internetcafe zu Copyshop benötigen wir eine Pause und entscheiden uns dafür mit Fabian und Sandra in die Berge nördlich von Tehran zu fahren. Die beiden haben wir bereits in Kappadokien getroffen und sie haben in Tehran in einem Krankenhaus ein Praktikum für ihr Medizinstudium absolviert. Dort haben sie auch einen Tipp für das Wochenende bekommen, den Javarom Complex. Das ist ein großer Park, in dem die Iraner ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen, dem picknicken mit grillen und zelten. Wir sind dort willkommene Gäste, man schenkt uns Maiskolben, fragt uns zu unseren Fahrzeugen, es werden zahlreiche Bilder gemacht und der Manager begrüßt uns persönlich, er lässt uns Suppen zukommen und reichlich Tee.

Wir machen von hier aus nochmal einen Ausflug zum Kaspischen Meer und dann zurück nach Tehran, um die beantragten Visa abzuholen. Abholen wollen wir auch Fabian, unseren Sohn am Flughafen, der uns über Pfingsten eine Woche besucht.

Zuerst fahren wir an den Salzsee Daryacheh-ye-Namak in der Kavirwüste und wollen in das Dorf Maranjab, das ist aber aufgrund einer Militärübung großräumig abgesperrt und dort treffen wir in der Wüste auf eine Gruppe Off Roader. Sie nehmen uns mit zum Salzsee und wollen uns eine gute Stelle zeigen, aber das Terrain ist tückisch und wir bleiben im Morast stecken, zum Glück sind wir 4 Fahrzeuge und können uns helfen. Mit ihnen fahren wir noch in das Dorf Niasar, wo zur Zeit Golab, das Rosenwasser hergestellt wird und essen mit ihnen in einem Restaurant. Wir schlafen bei einem Steinbruch irgendwo im Gelände, Fabian hat ein kleines Zelt dabei, das er neben dem Auto auf-schlägt. Über Esfahan fahren wir mit ihm nochmal in die Wüste nach Garmeh und Farazad, wo wir nun das Kamel Reiten nachholen und von dort aus nordwärts Richtung Damavand. Fabian möchte den höchsten Berg des Iran gerne aus der Nähe sehen. Gegen 17 Uhr erreichen wir den Ort Damghan und wollen ins Zentrum um evtl. eine Internetkarte für den WLAN Router zu kaufen, an einem Kreisel stoppt uns ein ziviles Fahrzeug, der Fahrer sagt „Police“, kann aber sonst kein Englisch. Er zeigt uns an zu warten und nach ca. 5 Minuten kommt ein Polizeifahrzeug, dem wir folgen sollen. Angeblich wollen sie Kopien von den Ausweisen machen. Wir fahren durch ein großes Tor mit Armeeposten, dann kommt ein Iraner in Zivil, der Englisch kann und uns in sein Büro führt. Er schaut die Ausweise an, die Visa und fängt an Fragen zu stellen, woher wir kommen, wann wir in den Iran eingereist sind, etc. Er wiederholt die Fragen immer wieder und bevor wir uns in Widersprüche verwickeln, hole ich unser Tagebuch aus dem Auto. Ich frage ihn, was er denn meint, was wir sind. Aber er fragt uns weiter aus, besonders interessiert ihn was wir in der Wüste gemacht haben, dann will er die Bilder unserer Kamera sehen. In der Zwischenzeit bekommen wir Tee und Schokolade, aber das „Verhör“ zieht sich in die Länge. Bis dann das Protokoll fertig ist und der Kommandeur zugestimmt hat sind 4 Stunden vorbei und es ist 9 Uhr und stockdunkel, so bleiben wir in dieser Stadt und mieten ein Zimmer. Am nächsten Morgen fahren wir Richtung Mount Damavand, müssen aber aufgrund von Straßensperrungen und Erdrutschen große Umwege fahren, so dass wir wieder erst am Abend dort ankommen und als wir einen Schlafplatz suchen, treffen wir auf drei Männer an einem Auto, die in die Tiefe starren, wo ein weiteres Auto steht, Türen und Motorhaube geöffnet. In der Zwischenzeit kommt noch Mahmood, ein LKW-Fahrer hinzu und wir beginnen mit der Bergung. Zuvor sichert Annette die Straße mit unseren Blicklichtern ab. Das Seil der Winde ist zu kurz und wir machen mit einem schweren Spanngurt eine Verlängerung, die Iraner sind begeistert, was die Deutschen so alles dabei haben. In zwei Etappen ziehen wir den Peugeot zurück auf die Straße, und der Fahrer bedankt sich tausendmal und gibt mir wieder mal zwei Küsse. Ich frage Mahmood, ob wir hier schlafen können, aber er gibt uns zu verstehen, dass wir mit ihm nach Reyneh kommen sollen. Dort führt er uns zu Mostafa, in dessen Hof wir parken und übernachten können.

Am Morgen frühstücken wir mit Mostafa und seiner Schwester, er ist 38 Jahre alt und war Bergführer am Damavand, aber seit 8 Jahren hat er eine seltsame Krankheit, von der auch seine Schwester betroffen ist und er kann kaum noch gehen und die Teetasse muss er mit beiden Händen zum Mund führen. Er tut uns so leid, aber wir können im leider nicht helfen. In seinem Haus hat er im EG eine sehr schöne Ferienwohnung, die er vermietet und als wir bei ihm sind, treffen wir dort Dirk und seinen Kumpel aus Düsseldorf, die am nächsten Morgen eine Trekkingtour zum Damavand unternehmen wollen.

Mostafa spricht gut Englisch, die Ferienwohnung ist gut ausgestattet mit Bad, WC und Küche und von Mostafa erhält man alle Informationen, die man für eine Tour am oder auf den Damavand benötigt.

Wir können uns den Damavand nur aus der Ferne ansehen, machen noch ein paar tolle Fotos und fahren dann wieder gen Tehran, denn die Woche mit Fabian geht zu Ende. Wir parken nochmal am Khomeni Shrine und kochen unser letztes gemeinsames Abendessen im Iran. Fabians Flugzeug geht nachts um 03.20 Uhr. Auf dem Parkplatz treffen wir Amir, den ich schon mal zuvor dort getroffen habe. Er ist ein Obdachloser, der seit 9 Jahren in diesem Park lebt. Er hat keinen Militärdienst im Iran abgeleistet und hat nun unter den Repressalien der Regierung zu leiden, so bekommt er keinen Pass und ohne Pass bekommt er keine Wohnung und somit auch keine Arbeit. Seine Familie kam bei einem Autounfall ums Leben und mit seiner Verwandtschaft kann er es aufgrund der Ereignisse nicht gut. So vegetiert er nun auf diesem Parkplatz vor sich hin und sucht einen Ausweg. 2003 ist er schon mal, mit der Hilfe von Schmugglern auf einem Pferd vom Iran über die Berge in die Türkei geflohen, aber nach einem Jahr in der Türkei hat man ihn aufgegriffen und in den Iran abgeschoben. Er erzählt seine Geschichte und wir können ihm keinen Ratschlag geben, er möchte so gerne dieses Land verlassen, aber er hat Angst. Er erzählt uns auch, dass wenn man hier die Religion wechseln möchte, dass man gehängt wird. Seine Geschichte gibt uns zu denken und wir merken wie wohl es uns in Deutschland und Europa geht.

Nachdem wir Fabian am Flughaben abgeladen haben, führt unser Weg nordostwärts nach Mashhad und Richtung Turkmenistan. Mashhad ist die heiligste Stadt des Iran, dort steht der Shrine des Imam Reza. Wir steuern das Camp Ghadir an, dort herrscht ein irrer Trubel, wie auf dem Jahrmarkt und man erzählt uns, dass in fünf Tagen der Geburtstag des Imam Reza gefeiert wird und Tausende von Pilgern erwartet werden. Im letzten Jahr wären 5 Millionen dagewesen, Gott sei Dank werden wir da schon wieder weg sein.

Im Camp sehen wir einen Mercedes Truck mit Augsburger Kennzeichen und treffen Michael, er ist im Moment allein in Central Asia unterwegs und möchte wie wir nach Turkmenistan und Uzbekistan. Er kennt bereits Mahmood und seine Frau Fatima, die ihn jeden Tag mit Essen versorgen und auch zu uns ans Auto kommen sie jeden Abend mit ihren beiden Söhnen. Wir bekommen nun jeden Abend das Abendessen geliefert, Kamelfleisch mit Reis, Nudeln, Suppe und Süßspeisen. Er ist Mechaniker und sein Bruder LKW Fahrer, er war schon oft mit ihm in Turkmenistan und gibt uns Tipps, bzw. seine Einschätzung zum Essen, zu den Straßen und zur letzten Brücke vor Uzbekistan. Jeden Abend fragt er uns, ob wir etwas brauchen, bei ihm duschen möchten und dann bekommen wir das Essen. Das Ganze ist aber überhaupt nicht aufdringlich. Er sagt zu uns, wenn was mit dem Auto oder mit den Reifen ist, dann sollen wir ihn anrufen, seine Nummer haben wir längst bekommen. Einmal, so erzählt er uns, hat er einem dänischen Paar mit den Reifen geholfen, als sie ihn angerufen hatten.

Not for money – for God!

Wir verlassen dieses Land und fragen uns, ob so ein Schurkenstaat aussieht?